Serif veröffentlicht beta-Version von Affinity Publisher
Mit dem Publisher komplettiert der britische Hersteller Serif das Toolset für Illustration, Bildbearbeitung und Layout. Die frei zum Download angebotene beta-Version 1.7 habe ich mir genauer angeschaut.
Autor: Andreas Rauth
Wie bei den 2014 und 2015 veröffentlichten Programmen Affinity Designer und Affinity Photo hat man auch beim Publisher deutliche Anstrengungen unternommen, Adobe-Anwendern den Wechsel so leicht wie möglich zu machen. Im Umgang mit InDesign erfahrene Gestalter finden fast alles an gewohnter Stelle – und wenn nicht, so weiß man doch, wonach zu suchen ist, weshalb die fragliche Funktion dann auch schnell gefunden wird – oder es gibt sie nicht. Dennoch wurde InDesign nicht einfach kopiert, manches wurde anders strukturiert, einiges vereinfacht, lange vermisste Funktionen hinzugefügt und auch interessante Neuerungen entwickelt. Erwartungsgemäß arbeitet die Software außerordentlich geschmeidig und verfügt über viele der aus Designer und Photo bekannten Echtzeitfunktionen. Hier geht es zum Download
Die Benutzeroberfläche
Masken, Anpassungsebenen, Formate
Solche unvorteilhaften Effekte können auftreten, ändern aber nichts daran, dass die Verfügbarkeit von Anpassungsebenen eine große Arbeitserleichterung bedeutet und ein eindeutiger Vorzug gegenüber InDesign sind, wo dieser Bereich komplett fehlt. Alle Ebenen werden automatisch nach ihrem Typ (Ebene, Bild, Einstellungsebene, Text etc.) benannt, wobei diese Bezeichnungen nicht überschrieben werden können! Gibt man einen eigenen Ebenennamen ein, wird dieser zusätzlich angezeigt; so behält der Anwender leichter den Überblick. Gut gelöst ist auch die Darstellung von Inhalten, die sich auf Musterseiten befinden (siehe die automatische rote Markierung im Screenshot neben (Innenseiten)), und selbstverständlich ist die Ebenenpalette seitensensitiv
Layout und Typography
Zum Einstellen von Satzspiegel und Grundlinienraster gibt es zum einen den Dialog Spread Setup– bequem über eine Schaltfläche in der Kontext-Leiste zu erreichen. Zum anderen den Baseline Grid Managerim Menü View, der eine Live-Vorschau ermöglicht (worauf InDesign-Anwender seit Jahren warten) und – schöne Ergänzung – über einen Deckkraftregler verfügt. Umfangreiche Dokumente können in Sections(Abschnitte) unterteilt werden, deren Formatierung im Document > Section Manager erfolgt. Den Section Namekann man als Variable – hier heißen sie Fields, für die es eine eigene Palette gibt – per Doppelklick in ein Textfeld eingeben. Zu den weiteren Fieldsgehören Autor, Erstellungsdatum, aktuelles Datum und Uhrzeit, Dokumentname, Seitenzahl.
Text auf Pfad ist, wie oben erwähnt, im Artistic Text-Werkzeug integriert und wird mit einem T über einer S-Kurve als Werkzeugsymbol angezeigt, sobald man die Maus über einem Pfad platziert. Eine grüne und eine rote dreieckige Marke kennzeichnen Anfang und Ende des Textbereichs; mit ihnen bestimmt man Positionierung und Länge des Textbereichs. Bei Rundsatz springt der Text automatisch in die untere Hälfte des Kreises, wenn die rote Marke erreicht wird, und bleibt dabei gleich ausgerichtet, d. h. die Zeichen stehen nicht auf dem Kopf.
Objekte formatieren und verwalten
Klassische Vektor-Werkzeuge wie Zeichenstift, Buntstift und Grundformen stehen selbstverständlich auch in Publisher zur Verfügung. Die Grundformen gehen weit über das von Adobe bekannte Angebot hinaus: man findet neben den Standards Rechteck, Ellipse, Polygon u. a. Pfeil, Sprechblase und Zahnrad. Alle Grundformen sind interaktiv anpassbar; erweiterte Einstellungen enthält die Kontextleiste (Abb.). Buntstift und Zeichenstift arbeiten nach den üblichen Standards, wenn auch mit geringen Abweichungen. So fügt man etwa einem Pfad einen neuen Ankerpunkt mit dem Direktauswahl-Werkzeug hinzu. Andere Bearbeitungsfunktionen verbergen sich hinter den Tasten ctrl, alt, cmd (MacOS): ctrl + klicken und ziehen verwandelt einen Eckpunkt in einen Kurvenpunkt, mit alt + ctrl-Klick wird wieder ein Eckpunkt daraus. Für das Bewegen der Anfasser bei einem Kurvenpunkt hält man die cmd-Taste gedrückt. Mit cmd + alt lassen sich die Anfasser unabhängig voneinander bewegen, sodass zwei unterschiedliche Kurven im Punkt zusammentreffen, und mit cmd + ctrl erhält man wieder einen Kurvenpunkt mit symmetrischen Anfassern. Diese Symmetrie – und das hat Adobe bis heute nicht geschafft! – wird durch kleine Senkrechten auf den Anfassern angezeigt.
Buntstift und Zeichenstift arbeiten nach den üblichen Standards, wenn auch mit geringen Abweichungen. So fügt man etwa einem Pfad einen neuen Ankerpunkt mit dem Direktauswahl-Werkzeug hinzu. Andere Bearbeitungsfunktionen verbergen sich hinter den Tasten ctrl, alt, cmd (MacOS): ctrl + klicken und ziehen verwandelt einen Eckpunkt in einen Kurvenpunkt, mit alt + ctrl-Klick wird wieder ein Eckpunkt daraus. Für das Bewegen der Anfasser bei einem Kurvenpunkt hält man die cmd-Taste gedrückt. Mit cmd + alt lassen sich die Anfasser unabhängig voneinander bewegen, sodass zwei unterschiedliche Kurven im Punkt zusammentreffen, und mit cmd + ctrl erhält man wieder einen Kurvenpunkt mit symmetrischen Anfassern. Diese Symmetrie – und das hat Adobe bis heute nicht geschafft! – wird durch kleine Senkrechten auf den Anfassern angezeigt.
Für das Erstellen und Bearbeiten von mehrfach benötigten Objekten mit komplexeren Eigenschaften setzt man beim Publisher auf Styles und Symbols. Das ist gut, denn diese sind Anwendern bereits von Designer und Photo vertraut. Vorbild sind aber letztlich auch hier Photoshop und Illustrator. Als Stil wird eine Kombination aus editierbaren Effekten wie Schlagschatten, Weichzeichner, Abgeflachte Kante, Verlaufsüberlagerung etc. bezeichnet, die über die Effekte-Palette bzw. dem Dialog Layer > Layer Effects zugewiesen werden können; abgelegt werden die Stile jedoch in der Stilepalette. Leider sucht man den Befehl zum Speichern vergeblich in den Bedienfeldern, statt dessen ist er – etwas unglücklich platziert – unter Edit > Create Style zu finden.
Symbole sind in allen Bereichen der Computergrafik ein weit verbreitetes Konzept. Ein als Symbol definiertes Objekt dient als Quelle für beliebig viele Kopien, die als Instanzen bezeichnet werden. Instanzen beziehen ihr Aussehen von dem Quellobjekt oder, anders ausgedrückt, das Quellobjekt vererbt sein Aussehen an diese, weshalb man auch von Eltern- und Kindobjekt spricht.
Im Unterschied zu Stilen werden nicht nur bestimmte Eigenschaften, sondern die komplette Form vererbt (die bei den Stilen keine Rolle spielt). So lassen sich beispielsweise in Architekturzeichnungen Reihen mit dutzenden von Fenstern über ein einziges Symbol steuern.
In der Ebenenpalette erscheinen Symbole immer als doppelte Einheit von Symbol und Instanz. Änderungen an Eigenschaften wie Fläche, Kontur, interaktive Parameter von Grundformen sowie Effekte von Symbol oder Instanz wirken sich nur auf das selektierte Objekt aus.
Synchronisiert man die Instanzen, wirken sich Transformationen, die an einer Instanz vorgenommen werden, auf sämtliche Exemplare gleichzeitig aus. Vorausgesetzt, man wählt in der Ebenenpalette die Instanz statt des Symbols aus. Änderungen an der Symboldefinition sind (momentan) nicht möglich.
Export
Beim Export interessiert zu allererst das PDF-Format für die Druckausgabe im Offsetdruck. Wie zu erwarten, verfügt Publisher u. a. über gängige PDF/X-Vorgaben, die sich individuell anpassen und speichern lassen. Darüber hinaus können Vorgaben für sämtliche Exportformate erstellt werden.
Gut gemacht sind die Ausgabeoptionen, die für jedes Format (auch PDF!) erlauben, nur die ausgewählten Objekte zu exportieren. Ein Bereich, der sich bei InDesign nur zäh entfaltet. Wer E-Books produzieren will, wird allerdings enttäuscht, denn das epub-Format wird, zumindest in dieser beta-Version, ebenso wenig unterstützt wie interaktive PDF.
Fazit
Professionelle Software ist notwendig komplex, ihre Beherrschung erfordert daher immer eine längere Einarbeitungszeit selbst bei intensiver Nutzung. Einfache Bedienbarkeit spielt aber – nicht zuletzt wegen der Komplexität – trotzdem eine wichtige Rolle. Dass man sich bei Serif hierüber intensive Gedanken macht, lässt der Publisher genauso erkennen wie Designer und Photo. Der Funktionsumfang ist für eine 1.7-Version enorm, wenngleich das Programm noch ein gutes Stück davon entfernt ist, aktuellen Anforderungen des Digital Publishing zu genügen: so gibt es, um nur einige Beispiele zu nennen, weder GREP-Stile noch Fuß- bzw. Endnoten, Querverweise oder Variablen für Bildunterschriften. Auch Hyperlinks, Schaltflächen oder Formulare sucht man bislang vergeblich. Designer von Cross-Media-Publikationen werden daher noch nicht zu überzeugen sein. Die von mir getestete beta-Version entspricht zwar nicht der finalen Fassung, dass der komplette Bereich interaktiver Medien bis zu deren Veröffentlichung aber noch integriert wird, ist eher unwahrscheinlich.
Wie Serif die Entwicklung des Programms, das ja bereits dem Namen nach ein Publishing-Werkzeug ist, in den Bereichen Buch, Magazin und interaktive Publikationen fortsetzen wird, bleibt daher abzuwarten. Der Start ist jedenfalls auch so schon gelungen: für Freelancer, Agenturen und Marketing-Abteilungen von Unternehmen ist die mit Affinity Publisher komplettierte Graphic-Suite von Serif eine mehr als nur brauchbare Alternative zu Adobes Creative Cloud.
Anmerkungen
Mit der Veröffentlichung von InDesign CC 2019 am 15. Oktober 2018 hat Adobe endlich nachgebessert und dem Bereich Einzüge und Abstände die Option Abstand zwischen Absätzen mit gleichem Format hinzugefügt. Ärgerlich bleibt, dass man nicht wählen kann, bei welchem Folgeformat Abstände verwendet werden und bei welchen nicht. In ausgereifter Version würde die Funktion etwa so lauten: Abstände verwenden: Formate einschließen, wobei Mehrfachauswahlen möglich sein sollten.